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Esperanto in Europa, Sprachpolitik
Wieviele Menschen sprechen Esperanto?

16.05.2009

Lange Zeit war diese Frage nur schwierig und mit großen Unsicherheiten zu beantworten. Vor ein paar Jahren gab es jedoch in Litauen und Ungarn Volkszählungen, bei denen auch nach Sprachkenntnissen gefragt wurde.

Esperanto-Kenntnisse in der EU und weltweit

Wenn man die Ergebnisse auf die Europäische Union hochrechnet, kommt man auf etwa 80.000 bis 150.000 Personen in der EU, die Esperanto sprechen. Für die gesamte Welt ergibt sich ungefähr das Doppelte, etwa 160.000 bis 300.000 Esperantosprecher. Für die Hochrechnung wurde die Verteilung der Mitglieder des Esperanto-Weltbunds auf die einzelnen Länder zugrunde gelegt. Die geringere Zahl ergibt sich aus der litauischen Volkszählung, die höhere aus der ungarischen.

Die angegebenen Zahlen sind eine Schätzung für diejenigen Personen, die bei einer Volkszählungs-Frage nach ihren Sprachkenntnissen auch Esperanto nennen, das sie "sprechen und/oder schreiben" können (so die Formulierung für Sprachkenntnisse in Litauen). Personen, die Jahrzehnte vorher Esperanto gelernt und gesprochen haben, es aber heute nicht mehr anwenden, werden vermutlich nur selten angeben, das sie Esperanto sprechen und schreiben.

200.000 oder 2 Millionen?

Es ist gut denkbar, dass weltweit 100.000 bis 200.000 Menschen Esperanto fließend und regelmäßig sprechen - während es vielleicht zehnmal so viele Menschen gibt, die Esperanto teilweise vor vielen Jahren oder Jahrzehnten zuletzt benutzt haben und die es eher zögerlich sprechen. Sidney S. Culbert hatte um 1988 die Größe dieser zweiten Gruppe auf der Grundlage von regionalen Erhebungen auf zwei Millionen geschätzt; seine Angaben sind u.a. in "The World Almanac" und auf ethnologue.com übernommen worden.

4565 Esperantosprecher in Ungarn

Bei der Volkszählung 2001 haben in Ungarn 4565 Personen Esperanto als Fremdsprache angegeben. Damit lag Esperanto auf Platz 18 aller Fremdsprachen, die in Ungarn beherrscht werden. Vergleicht man nur mit den 23 offiziellen EU-Sprachen, so landet Esperanto auf Platz 12 - hinter Polnisch und Tschechisch (8626 bzw. 4702), aber z.B. vor den skandinavischen Sprachen (insgesamt 4502), Griechisch (3238), Bulgarisch (2214) oder Portugiesisch (1681). Die drei baltischen Sprachen (Estnisch, Lettisch und Litauisch) werden von insgesamt 153 Personen gesprochen. Unter 100.000 Ungarn haben etwa 45 Personen Sprachkenntnisse in Esperanto angegeben.

Laut den Ergebnissen der Volkszählung ist Deutsch die am meisten beherrschte Fremdsprache in Ungarn mit 1.007.012 Personen. Englisch liegt mit 997.908 Personen etwa gleich. Es folgen Ungarisch (bei Minderheiten, 630.849), Russisch (194.449) und Französisch (115.881). Insgesamt wurden in Ungarn 10.198.315 Einwohner gezählt.

Platz 16 für Esperanto in Litauen

2001 haben in Litauen 844 Personen angegeben, Esperanto sprechen und/oder schreiben zu können. Esperanto liegt damit auf Platz 16 der Fremdsprachen; berücksichtigt man nur die 23 offiziellen EU-Sprachen, nimmt Esperanto auch in Litauen Platz 12 ein. Kurz vor Esperanto liegen Tschechisch (947) und Dänisch (858). Dahinter liegen z.B. Norwegisch (662), Estnisch (508), Finnisch (381), Portugiesisch (281), Ungarisch (246) und Rumänisch (166). Unter 100.000 Litauern haben etwa 24 Personen Sprachkenntnisse in Esperanto angegeben.

Litauen gehörte bis 1991 zur Sowjetunion. So überrascht es nicht, dass die Hälfte der Bevölkerung Russisch beherrscht, 2.099.928 Personen. Danach folgen Englisch (589.553), Litauisch (bei nationalen Minderheiten, 355.846), Polnisch (307.678), Deutsch (284.896) und Französisch (67.520). Insgesamt wurden in Litauen 3.483.972 Personen gezählt.

Kommunikation zwischen Ungarn und Litauen

Anhand der Zahlen kann man sich die Frage stellen, wie sich Litauer und Ungarn unterhalten können. 246 Litauer sprechen Ungarisch und können direkt mit Ungarn sprechen. Umgekehrt spricht eine nicht genau bekannte Anzahl von ungarischen Bürgern Litauisch; da für baltische Sprachen insgesamt 153 Sprecher angegeben wurden, dürfte diese Zahl in der Größenordnung von 100 Personen liegen.

Wer nicht zu diesen Sprachkundigen gehört - und auch nicht das Glück hat, dass der Gesprächspartner die eigene Sprache gelernt hat - kann vielleicht auf eine der international benutzten Verkehrssprachen vertrauen. So können z.B. 60 % der Litauer mit 2 % der Ungarn auf Russisch sprechen, 17 % der Litauer können sich mit 10 % der Ungarn auf Englisch verständigen und 8 % der Litauer, die Deutsch sprechen, finden in Ungarn bei 10 % der Bevölkerung einen Gesprächspartner. Mit Französisch ist es schon schwieriger - nur 2 % der Litauer sprechen es und nur 1 % der Ungarn; Spanisch wird in beiden Ländern von weniger als einem viertel Prozent der Bevölkerung gesprochen. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Kommunikation der beiden Länder in starkem Maße Englisch benutzt und in etwas geringerem Maße Deutsch.

EU-Mehrsprachigkeitskommissar Orban gegen Lingua franca

Was dürfte Leonard Orban, Kommissar für Mehrsprachigkeit der Europäischen Union, zu diesen Zahlen sagen? Er propagiert das Lernen fremder Sprachen, spricht sich aber vehement gegen eine EU-Verkehrssprache aus. So ist in seinem Forum zur Mehrsprachigkeit zu lesen, er "halte nicht viel von einer Lingua franca, sei es nun Esperanto, Latein oder … Englisch".

Es scheint, dass das Engagement von Herrn Orban gegen eine Lingua franca bei den Bürgern keine rechte Aussicht auf Erfolg hat: Wer fremde Sprachen lernt, der wählt in erster Linie solche, die er international als Verkehrssprache benutzen kann; außerdem werden häufig Nachbarsprachen gelernt, wie die beiden Statistiken zeigen. Auch in den EU-Institutionen wie z.B. der Kommission ist im übrigen das Englische de facto die am meisten genutzte lingua franca - unabhängig von der Meinung von Herrn Orban.

Esperantosprecher: Im Schnitt 3,3 Fremdsprachen

Esperanto wird von den meisten seiner Sprecher als ergänzende Sprache gelernt; es erstaunt sicher nicht, dass nach Statistiken aus mehreren Ländern die Esperantosprecher im Schnitt mehr als drei Fremdsprachen sprechen - also neben Esperanto noch etwa zwei Verkehrssprachen oder Nachbarsprachen. Nach einer Statistik des finnischen Erziehungsministeriums sprachen schon 1983 nur 14 % der befragten Esperantosprecher außer Esperanto keine weitere Fremdsprache. Vermutlich ist seither die Kenntnis von Fremdsprachen eher angestiegen.

Häufig interessieren sich für Esperanto Menschen, die schon eine oder zwei Fremdsprachen gut sprechen. Außerdem beflügelt Esperanto durch die vielen internationalen Kontakte das Erlernen weiterer Sprachen. Es ist daher keine wirkliche Überraschung, dass die Esperantosprecher mit durchschnittlich 3,3 Fremdsprachen wohl die einzige Sprachgemeinschaft darstellen, die das erklärte EU-Ziel, jeder solle zwei Fremdsprachen beherrschen, zumindest im Schnitt seit langem deutlich übererfüllt haben.

Keine vergleichbaren Zahlen für andere Länder

Interessant wäre es, entsprechendes Material auch für andere Länder zu erhalten. Anscheinend taucht Esperanto außer in den genannten Ländern nur noch in der Volkszählung 2006 in Neuseeland auf. Dort wurden 123 Personen als Esperantosprecher gezählt - es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die entsprechende Frage nicht nach Muttersprache und Fremdsprache unterschied. Deshalb haben vermutlich viele Befragte neben ihrer Muttersprache kaum Fremdsprachen genannt.

Denkbar ist, dass auch in anderen Ländern nach Fremdsprachen gefragt wurde, aber die Antworten zu Esperanto nicht veröffentlicht wurden; auch die Ergebnisse der litauischen Volkszählung zu Sprachenkenntnissen sind nur auszugsweise im Internet veröffentlicht.

Dem Statistischen Bundesamt liegen keine entsprechenden Daten für die Sprachkenntnisse der deutschen Bevölkerung vor. Auch eine Anfrage bei Roger Nunn, Pressereferent beim EU-Kommissar für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, ergab keine weiteren Informationen über die Esperanto-Kenntnisse der EU-Bürger.

Andere Statistiken zu Sprachen

Die Daten der beiden Volkszählungen in EU-Ländern vergleichen Esperanto mit anderen Fremdsprachen, also gelernten Sprachen. Es ergibt sich dadurch eine etwas günstigere Position für Esperanto als bei anderen statistischen Vergleichen, etwa zur Größe der Wikipedia, zu ihrer Nutzung oder zu den Sprachen im Internet insgesamt. Bei diesen wird die Nutzung durch Muttersprachler und Lerner zusammengezählt - und daher liegt Esperanto etwas weiter hinten, weil es nur etwa 200 bis 2000 Esperanto-Muttersprachler gibt, weniger als 1 % der Esperantosprecher.

Esperanto-Wikipedia

Derzeit hat Esperanto mit etwa 110.000 Artikeln Platz 22 im Vergleich mit den anderen Wikipedia-Versionen. Nach der Häufigkeit der Seitenaufrufe liegt Esperanto etwas ungünstiger, auf Platz 35. (Der Überblick zeigt etwa Platz 50, da auch Projekte wie Wikimedia aufgelistet werden.)

Esperanto-Texte im Internet

Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 von Gregory Grefenstette und Julien Nioche lag Esperanto damals im Internet nach der Textmenge auf Platz 27 der Sprachen mit lateinischer Schrift; im Vergleich mit allen Sprachen dürfte das etwa Platz 40 entsprechen.

Beeindruckender Aufstieg von Esperanto

Gelegentlich wird Esperanto als ein erfolgloses Projekt angesehen - es habe sich nicht "durchgesetzt", wird gesagt. Betrachtet man die Position von Esperanto im Vergleich mit anderen Sprachen im Verlauf der 122 Jahre seit der Veröffentlichung des ersten Lehrbuchs 1887, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Damals gab es einen einzigen Esperantosprecher, den Autor der Sprache Ludwig Zamenhof, und Esperanto war damit die kleinste unter weltweit zu jener Zeit etwa 8000 Sprachen. Nur ein Jahrhundert später hat sich Esperanto - je nach Statistik - auf einen der vorderen fünfzig Plätze der Sprachen der Welt vorgearbeitet.

Einen vergleichbaren Aufstieg einer Sprache hat es in der Weltgeschichte vermutlich noch nicht gegeben. Das Englische besteht beispielsweise seit etwa 1500 Jahren; 1000 Jahre nach seiner Entstehung hatte es die britischen Inseln noch nicht verlassen.

Esperanto hat eine Eigenschaft, die es mit keiner anderen Sprache teilen muss: Es wurde und wird schon wegen seiner Idee an sich gelernt und wegen seines überragend einfachen Aufbaus. Die Tatsache, dass es heute in etwa 120 Ländern der Welt Esperantosprecher gibt, und die wachsende Verwendung der Sprache im Internet und in der Musik, bei internationalen Begegnungen und in außereuropäischen Ländern - das alles trägt zu seiner weiteren Verbreitung erheblich bei.

Louis F. v. Wunsch-Rolshoven, EsperantoLand


Der Artikel ist in Esperanto auch auf unseren esperantosprachigen Seiten und bei Libera Folio erschienen; dort mit Diskussion.

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